Podcast am Ende des Lebens
Was brauchen Krebskranke in der letzten Phase ihres Lebens? Wie ist das nochmal mit der Patientenverfügung? Und warum engagieren sich junge Menschen im Hospizverein? Der PODCAST am Ende des Lebens weiß gute Antworten. Der Hospizverein Aschaffenburg veröffentlicht den Podcast seit 2020 einmal im Monat. Palliativ Care Fachkraft und Koordinatorin Nicole Kespe hatte die Idee und ist die treibende Kraft hinter der Veröffentlichung.
Sie konnte das schon immer gut. Sagen, was am Ende des Lebens passiert, empathisch, zugewandt, offen. Seit mehr als zwanzig Jahren begleitet die Krankenschwester und Palliativ Care Fachkraft Menschen in den letzten Wochen, Tagen und Stunden des Lebens, die 43-Jährige hat viel gesehen, viel erlebt, viel durchdacht. „Wir sind menschlich. Wir sind ehrlich. Wir sprechen alles aus. Wir kommunizieren ganz anders. Nicht durch die Blume. Sondern wir sagen direkt, was passiert.“
Über alle die Jahre hat sie immer wieder festgestellt: Auch wenn jedes Setting, jeder Mensch anders ist, bleiben elementare Fragen gleich und wollen, müssen immer wieder aufs Neue beantwortet werden. „Es ist auch unsere Aufgabe als Hospizverein, diese Themen immer wieder in die Öffentlichkeit zu tragen.“ Weil das mitten in der Corona-Pandemie mit ihren Kontaktbeschränkungen schwierig geworden war, hat Nicole Kespe in 2020 „Der PODCAST Am Ende des Lebens“ gestartet.
In kurzen Episoden greift der Podcast Themen rund um die letzten Tage im Leben auf, über die sich Menschen selten Gedanken machen, bevor es soweit ist. „Dieser Podcast macht Informationen genau dann schnell und niederschwellig verfügbar, wenn man sie braucht“, sagt Nicole Kespe. Die Kosten für das Hosting trägt der Verein, für Hörer ist der Podcast kostenfrei. Streamen lässt sich „Am Ende des Lebens“ über alle gängigen Portale und wird mittlerweile sogar in der Schweiz gehört.
„Ich höre selbst gerne Podcasts und dachte: Das ist es“, erinnert sich Nicole Kespe an den Beginn der Pandemie, als sie vor der Frage stand, wie sich nun noch Menschen erreichen lassen. „Schwätze könne mer.“ Die ersten Folgen nahm sie recht unbefangen mit dem Handy auf. Mittlerweile hat sich die Technik durch die ein oder andere Spende professionalisiert. Etwa alle vier Wochen erscheint eine neue Folge, um die zehn bis 15 Minuten sind die Episoden lang.
16 Folgen sind mittlerweile abrufbar, die jüngste wurde im März veröffentlicht. Dort spricht die Brustkrebs-Überlebende Nicole Kultau aus Aschaffenburg mit Nicole Kespe darüber, was sich Krebspatienten von ihrem Umfeld wünschen. „Wir als Hospizverein müssen Themen wie diese gebetsmühlenartig in die Öffentlichkeit tragen“, sagt Nicole Kespe. Der Podcast mache das einfacher. Nicht immer hat Nicole Kespe einen Gast; Episoden zu Sachthemen wie Patientenverfügung gestaltet sie komplett selbst. Erfahrungsberichte von Ehrenamtlichen oder Familien sprechen in der Regel Prominente ein, Kabarettist und Lokalmatador Urban Priol zum Beispiel oder Andreas Stock, Manager und Ehemann der Kabarettistin Lizzy Aumeier. „Für die Ehrenamtlichen, die ihre Geschichte nicht selbst lesen wollen oder können, ist es sehr bewegend, ihre Geschichte aus dem Mund von Prominenten zu hören. Es ist eine ganz besondere Form der Wertschätzung.“
Wertschätzung, die Nicole Kespes ganzes Berufsleben prägt. „Ich war schon damals im Krankenhaus immer die, die todkranken Patienten bekommen hat. Die kommen zum Sterben, die geben wir mal Nicole“, erinnert sich die 43-Jährige an die junge Krankenschwester, die sie einst war. Die auf der neurologischen Station Patienten aus ihren OP-Tüchern schälte. Kanülen zog. Die versuchte, „es den Leuten so angenehm wie möglich zu machen. Ich habe auch die Angehörigen eingeladen mit dazubleiben. Die anderen auf der Station wollten sich nicht damit befassen. Aber für mich war es schön, wenn die Familien hinterher sagten: Es war gut, es war nicht schrecklich“.
Nach der Ausbildung arbeitete Nicole Kespe dreieinhalb Jahre lang in einem hessischen Team für Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung, fünf Jahre lang im SAPV-Team Aschaffenburg. „Wenn ältere Menschen sterben, ist das ein Stück weit der Lauf des Lebens. Wenn wir junge Menschen betreuen, denke ich immer: Versterben ist manchmal dramatisch für alle. Es ist ein Trauma. Es bleibt oft ein Trauma. Auch mit uns ist es ein Trauma. Aber ich hoffe immer, es so gering wie möglich zu halten, dadurch, dass die letzte Lebensphase zu Hause stattfinden kann statt in der Klinik. Es ist schön zu sehen, dass das Leben am Ende wirklich ein Leben ist.“
Die Arbeit mit den Sterbenden war ihr Leben. Bis die Rahmenbedingungen sie müde machten. Die Nachtdienste, die ständige Rufbereitschaft, die pubertierende Tochter: „Ich brauchte eine Veränderung. Ich wusste nur nicht, wohin mit mir, denn die Palliativarbeit ist das Richtige für mich.“ Es ergab sich die Chance im Hospizverein Aschaffenburg mitzuarbeiten: ein Wink des Himmels.
Nicole Kespe kümmert sich jetzt um ähnliche Themen, doch aus anderer Perspektive. Auf ein Jahr war der Podcast zunächst ausgelegt, das Pilotprojekt wurde ohne Zögern verlängert. Mehr als 2000 Streams verzeichnet „Am Ende des Lebens“ bereits. Nicole Kespe hat Gefallen am Podcasten gefunden. „Es ist toll zu sehen, dass das funktioniert, was man sich vorgenommen hat.“ So soll es weitergehen.
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